Segeln auf der Nordsee ist schon sehr speziell. Diese Abhängigkeit von den Naturgewalten, die man als Segler tagtäglich zu spüren bekommt, ist hier noch einmal um einiges extremer. Neben Windrichtung und -stärke, Wellenhöhe und sonstigem Wetter muss man eben auch die Tide mit ihren Strömungen beachten. Dadurch werden die Zeitfenster für die Törns nochmal enger. Man darf es also nicht eilig haben – Zeitpläne sind oft dazu da, über den Haufen geworfen zu werden. In Norwegen 2023 hat uns die Nordsee weniger ausgebremst, viel weniger Tidenhub und -strömung.
Zusätzlich hatten wir die Unsicherheit bezüglich der Durchgängigkeit der stehenden Mastroute mit an Bord. Zunächst hieß es, es geht nicht, dann wieder doch ein Stück, letztendlich sind wir durchgefahren bis Rotterdam. Aber diese Strecke ist sehr fragil – von den über 100 Brücken und Schleusen kann jederzeit eine ausfallen und deine Reise beenden. Da hatten wir eben mal Glück.
Weniger Glück hatten wir am Anfang mit unserem „Fehlstart“ auf der Peene. Zum Glück war für uns alles glimpflich ausgegangen – kein Schaden am Boot und auch keine fette Rechnung im Briefkasten, nicht mal ein Strafzettel von der Wasserschutzpolizei. Den Seenotrettern hat Walter eine Spende zukommen lassen …
Wettertechnisch waren die ersten Wochen schwierig, tagelanges Abwettern keine Seltenheit. Selbst auf Inseln wie Norderney oder Borkum kann das dann auch mal langweilig werden. Irgendwann sind alle Sehenswürdigkeiten abgearbeitet …
Meine Mutti fragte mich, was auf diesem Törn das Schönste gewesen wäre. Ich konnte die Frage nicht so einfach beantworten. Es gab so grundunterschiedliche Törnabschnitte, die man einfach nicht vergleichen kann – sie waren eben einfach anders schön. So die Fahrten mitten durch alte Städte und Dörfer auf der Mastroute. Das Anlegen und Übernachten am Ufer mit wunderschöner historischer Kulisse, vielleicht neben einem Park, und zu Fuß die Stadt erkunden, das hat schon was sehr besonderes und romantisches. Anders schön, aber auch nicht weniger, waren die westfriesischen Nordseeinseln Terschelling und Ameland. Gewaltige Natur in Form von kilometerlangen weißen Stränden, eingefasst von hochhaushohen Dünen hat uns zum Staunen gebracht und zum Teil in Verzückung versetzt. Hier sind wir viel gewandert und waren glücklich. Nochmal anders schön die beiden Metropolen Amsterdam und Rotterdam mit ihrem urbanen Flair. Absolut unvergleichlich.
Was das Schrecklichste auf diesem Törn war, kann ich sofort beantworten: Sich nicht auf die Funktionsfähigkeit der Salida verlassen zu können. Die Probleme mit der Gangschaltung haben uns fast den letzten Nerv gekostet und auch unser Zusammenspiel als Team an Bord stark belastet. Es gab einige brenzliche Situationen, die man so nicht erleben möchte und die bei mir für Albträume und Schweißausbrüche gesorgt haben. Ich nannte das dann irgendwann „mein Brückentrauma“. Selbst der Einbau einer neuen Gangschaltung auf Norderney und professionelles Nachjustieren in Lemmer haben das Problem nicht endgültig beseitigt. Da muss im Winter die Werft in Ueckermünde nochmal ran …
Eine Premiere in diesem Jahr waren die zwei Segelwochen mit Gästecrew. Die Zeit mit Sabine und Michael in der dänischen Südsee war Urlaub pur und voller schöner Momente. Vor der Woche mit der Kinder- und Enkel-Crew auf dem ersten Abschnitt der Mastroute von Delfzijl nach Lauwersoog hatten wir ein bisschen Schiss, aber auch das war für alle ein schönes Erlebnis. Jederzeit wieder! (Die Jungs haben noch Wochen danach auf dem Spielplatz „Boot“ gespielt.)
Was in diesem Jahr viel zu kurz gekommen ist, waren Ankern in einsamen Buchten und Schwimmen im Meer. Dafür hatten wir, vor allem an der Nordseeküste, mit übervollen Yachthäfen zu tun. Päckchen liegen war dort die Normalität, für uns eher befremdlich. Ankern konnten wir lediglich einmal im IJsselmeer vor der künstlichen Insel und einmal haben wir vor Lemmer an einem Übernachtungsplatz festgemacht. Ansonsten immer Hafen, was die Urlaubskasse enorm belastet hat.
Schwimmen in der Nordsee ist (leider) an drei Bedingungen geknüpft:
- Du brauchst einen Strand, möglichst mit Sand
- Du brauchst genug Wasser
- Es sollte keine starke Strömung geben.
Leider hat das meistens nicht so geklappt.
Deshalb steht für uns fest – wir segeln lieber wieder in der Ostsee.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei unseren treuen Lesern bedanken, die uns auch wieder auf dieser Reise begleitet und mit ihrem Feedback motiviert haben.
Danke an Friedlinde und Hans-Joachim für die liebevolle Versorgung unserer Katze Lilli und den wachsamen Blick auf Haus und Garten.
Statistik:
Gesamtstrecke: 1.500 Seemeilen, davon gesegelt 500
Gesamtzeit: 98 Tage
