Wo bitte geht’s zum Gletscher?

Der Wandertag gestern hat mir meine Grenzen aufgezeigt. Wir sind abends einfach nur platt und mit schmerzenden Gliedern in unsere Kojen gefallen.

Zunächst fing alles ganz easy an. Der Wanderweg schlängelte sich auf einem gut geebneten Kiesweg immer am Fluss entlang, der Anstieg war moderat. Wir wussten, dass wir bis zum Gletschersee rund 200 m, bis zur Sichtachse zum Gletscher rund 400 m in die Höhe müssen. Immer wieder mussten Fotopausen eingelegt werden, denn solche malerischen Ausblicke erleben wir ja sonst nicht. Ich weiß nicht, wie viele Flusswindungen und Wasserfälle wir fotografiert haben, auf jeden Fall sehr viele. Dann zog uns der von hohen Bergen umrahmte Gletschersee, der von zahlreichen Wasserfällen ringsherum gespeist wird, mit seinem smaragdgrünen Wasser in seinen Bann. Er gehört wohl zu den beliebtesten Orten in Norwegen, um Selfies zu machen. Das kann ich gut nachvollziehen, es ist wirklich ein ganz bezaubernder Ort mit einer besonderen Magie. Das Wasser schimmert je nach Lichteinfall in verschiedenen Grünschattierungen und spiegelt die umliegenden Berge auf seiner Oberfläche. Ein Fotomotiv für große Speicherkarten 😉 Am Ende wurden wir sogar noch von einem schneeweißen Kiesstrand überrascht, an dem wir eine Rast einlegten und ich meine Füße ins eiskalte Gletscherwasser tauchte.

Dann wurde der Weg steiniger und wir begannen zu klettern – mal hoch, mal runter, wie die Felsen eben so dalagen. Zwischendurch immer mal durch Matschkuhlen oder von Stein zu Stein hüpfend durch Gletscherbäche.
Dann war der Weg zu Ende und kein Gletscher zu sehen. Wo bitte geht’s hier zum Gletscher???

Das Navi hatte noch einen Balken und wir versuchten, uns zu orientieren. Nach einer halsbrecherischen Klettertour, die sich im Nachhinein als unnötig herausstellte, wollte ich das erste Mal aufgeben. Aber Walter wollte Gletscherfotos und suchte weiter nach einem Weg. Und dann hatte er ihn gefunden 🙂 Ein Weg, der in keiner Karte eingezeichnet ist.
Ein schmaler und steiler Kiespfad führte in die richtige Richtung. Ich empfand diese paar Meter als die anstrengendsten der gesamten Strecke, aber getrieben vom Adrenalin kroch ich Walter hinterher, bis wir endlich beste Sicht hatten. Der Gletscher war zwar immer noch einige hundert Meter entfernt, aber die würden wir mit Sicherheit nicht mehr klettern. Die Sicht war grandios, die Fotosession konnte stattfinden und wir waren glücklich. Mein Wunsch, dieses Millionen Jahre alte blaue Eis mit eigenen Augen zu sehen, ist in Erfüllung gegangen. Ich empfand sehr viel Ehrfurcht in diesem Moment, aber auch Trauer, dass diese Naturgiganten so stark bedroht sind. Auch dieser Gletscher schrumpft.

Dass der Rückweg nicht einfacher war, muss ich wahrscheinlich nicht betonen. Er nahm und nahm kein Ende 😉
Manch geübter Wanderer wird wahrscheinlich schmunzeln, wenn er das liest, aber für uns Flachlandindianer sind zweimal 400 Höhenmeter auf 15 km echt genug.
Abends wurde das Wetter schlechter und es begann zu regnen. Auch heute grauer Himmel und wir tuckern gemütlich den Hardangerfjord weiter hinein bis Norheimsund. Wir müssen dringend mal wieder was Frisches einkaufen.